PENTHESILEA


Noch ist es dunkel..aber ich spüre den Morgen heraufziehen.Ich habe nicht geschlafen, ich habe gewacht. Hier auf der Mauer habe ich gestanden und hinunter gesehen...die Feuer vom Heerlager am Strand flackern wie sterbende Glühwürmchen. Winzig und bedrohlich in der Dunkelheit.Eine Hand berührt mich leicht an der Schulter, aber ich erschrecke nicht. Sie kann auch nicht schlafen, meine Schwalbe...mein Schwesterkind.Was tust Du, Kind, frage ich sie leise..leg dich hin. Sie tritt neben mich, hält mir die Lederschienen hin, die sie gewachst hat. "Ich hab Bienenwachs genommen,Sáita, Herrin." Sie hält den Kopf gesenkt, damit ich ihre Tränen nicht sehe.Hinter Schwalbe höre ich ein Geräusch, jemand klettert die Leiter hoch. Ninki´s dunkler Kopf taucht auf. Ihre Augen weiten sich in ziemlich schlecht gespielter Überraschung als sie uns sieht. "Ich konnte nicht schlafen, da wollte ich frische Luft schnappen..es ist so stickig da unten", sagt sie betreten."Und den Becher Wein da führst Du spazieren weil er auch frische Luft braucht, ja?"Grinsend nehme ich ihr den Becher ab und trinke einen Schluck. Ninki lacht, sie lacht gern und rasch..so kämpft sie auch. Für sie ist es etwas , das getan werden muss wenn es an der Zeit ist. So wie das Abreiben der Pferde oder das Feuermachen. Sie tut es einfach..flink und geschickt.Schwalbe ist anders, ganz anders. Sie lodert wie ein Brand, der Kampf ist ein Lied für sie...ein leidenschaftliches Lied.Und beide sind so jung, so jung.Ich habe mit meiner alten Freundin gesprochen. Lyrrhe wird den Kräutertrunk für die Beiden vor dem Ausrücken mit einem betäubenden Mittel versetzen. Sie werden es verschlafen..sie werden leben. Vielleicht haben sie eine Gelegenheit zur Flucht, wenn die Stadt fällt. Und fallen wird sie, sollte es morgen nicht gelingen Achilles zu töten. Er allein ist es, der die Griechen am Abzug hindert.Schwalbes Stimme erreicht mich, zum hundertsten Mal beschwört sie mich, auf meine Ledersachen zu verzichten und die eherne Rüstung zu tragen morgen. Und ich erkläre es ihr geduldig, so wie ich es wahrscheinlich auch zum hundertsten Mal getan habe. Denn Achilles ist ein Vernichter, ein Vieh...er ist stark wie ein Stier und wie ein solcher gebaut. Aber er ist ebenso schnell wie stark. Eine gefährliche Mischung. Wahnsinnig ist er gewiss, aber wenn er kämpft arbeitet sein Kopf klar wie Quellwasser. Er macht keine überflüssige Bewegung..keinen Atemzug zu viel tut er. Und er stösst zu wie eine Schlange. Ich habe ihn tagelang beobachtet.Er ist ein Schlächter, aber ein bedachter.Er macht einen tödlichen Tanz daraus.Gegen sein Gewicht , seine Kraft und seine Gewandtheit gibt es nur ein Mittel: noch grössere Gewandtheit.Meine Lederrüstung ist mir vertraut wie meine Haut und hindert mich nicht. In Eisen hätte ich keine Chance.Auch wenn meine Garde seine Leibwächter beschäftigt..es wäre aussichtslos. Ninki nimmt meine Erklärung hin wie sie alles hinnimmt, lächelnd. Sie nickt und sieht zu Boden.Sie hat mich verstanden, sehr genau verstanden, aber Schwalbe fährt auf. Sie tritt an die Brüstung neben mich und sieht mit brennenden Augen zum Strand.Ihre Hände krampfen sich am Mauerwerk, als wollte sie die Festung des Priamos zerbröseln.Langsam wendet sie sich und sieht mir in die Augen.Ihr ganzes Leben ist in ihrem Blick, ihr ganzes Sein.Ich senke den Blick, ich halte nicht stand. - Von unten kommen Geräusche und ich bemerke dass die Nacht fahl geworden ist und sich zurückzieht wie ein Tuch,es ist kurz vor Sonnenaufgang.Unten warten meine Schwertschwestern, sie nehmen ein wenig Kräuteraufguss zu sich und Brot.Nur um den Körper in Gang zu bringen ohne schwer zu machen. Während ich Harnisch und Helm anlege und mir die Schienen anlegen lasse von Schwalbe und Ninki kommt die alte Lyrrhe die Leiter hoch. Ein Tablett trägt sie mit Bechern und Krug. Sie wird den Trank hier mischen, das weiss ich.Als sie mich ansieht, fragend..lege ich Schwalbe die Hand auf die Schulter und schüttle leicht den Kopf. Als ich die Leiter hinabsteige greifen die Mädchen nach ihren Bechern. Unten warten sie,meine Schwestern ...so wie sie immer gewartet haben. Ruhig, in Rüstung und Waffen und mit gelassenem Blick.Einige leise Worte ..es gibt nicht mehr viel zu sagen. Hinter mir höre ich jemanden herabkommen..Schwalbe.Sie ist allein, Ninki ist nicht bei ihr. Sie sieht mich an und lächelt. Priamos Männer kommen um mit uns nach draussen zu gehen. Es ist Zeit.
Penthesilea und die letzten Amazonen fielen im Kampf an diesem Morgen vor den Toren Trojas.
Für alle Kriegerinnen.

FÄDEN.








Ich bin aufgestanden , gehe zum Bogen der hinausführt in die Nebel...die Nebel und die Sterne im Grau. Es war nie anders gewesen, es wird niemals anders sein. Meine Schwestern und ich verlassen diesen Ort nicht, wir gehen nirgendwohin und sind doch überall. Mein Rücken schmerzt, oder ist es nur die Erinnerung an Schmerz? Ich drehe mich um und sehe in das Dämmer des Raumes, sehe meine beiden Schwestern sitzen wie Schemen gegen das matte Licht der Lampe, über ihre Arbeit gebeugt und schweigend. Keine von uns bräuchte das Licht um unsere Aufgabe zu erfüllen, wir könnten es mit geschlossenen Augen tun.An die Wand gelehnt spüre ich Erleichterung darüber, nicht mit gebeugtem Rücken sitzen zu müssen. Ich gebe mich dem Genuss hin, die Augen in die Höhe zu richten anstatt auf meine Hände und den Faden. Aber das Blitzen der Scherenklingen erreicht trotzdem meine Augen...es ruft zurück und ich gehe den Weg zu meinem Platz. Sie benutzt schweigend das Arbeitsgerät, meine graue Schwester und schneidet konzentriert und genau.Kleine sanfte Blitze im weichen Schatten dieser Halle. Als ich vorbeigehe wird das Murmeln der Anderen zu einem Wimmern...oft, ja oft ist das so, ich erinnere mich. Sie beugt sich tiefer über ihre Fäden, löst hier Knoten und knüpft da andere, schnell und geschickt. Ihre Finger bluten, sie hält ihre Hände immer wieder dicht vor die Augen und murmelt. Streicht glatt und ordnet, legt zusammen und trennt. Es schmerzt sie...ich öffne meinen Mund um zu sprechen, ihr etwas zu sagen. Es ist ungewohnt, es fällt schwer und ich kann mich nicht an ihre Namen erinnern. An ihre vielen Namen..sie schluchzt leise und schüttelt den Kopf hin und her während ihre Hände fliegen und ihre Finger sind feucht von Blut. Als ich bei ihr meinen Schritt ve2halte fällt mir einer der Namen ein und ich sage "Es ist gut.....Lachesis......lass.....scht...es ist ja gut...